Gedenken an die Schönbrunner Opfer des Nationalsozialismus

Gottesdienst mit anschließender corona-konformer Kranzniederlegung

Schönbrunn, 27. Januar 2022 – Mit einer corona-konformen Gedenkfeier mit Wort-Gottesdienst und anschließender Kranzniederlegung im kleinsten Kreis hat das Franziskuswerk Schönbrunn am heutigen Tag der Opfer des Nationalsozialismus an die Schönbrunner Opfer gedacht.

In seiner Ansprache im Anschluss an den Gottesdienst stellte Geschäftsführer Markus Holl den Begriff ‚Freiheit‘ in den Vordergrund. „Freiheit ist ein hoher Wert, der momentan arg strapaziert wird. Wie würden eine Familie im zerbombten Jemen oder ein junger Mann auf einem überfüllten Schlauchboot im Mittelmeer Freiheit definieren? Oder die Kinder, Frauen und Männer, die von November 1940 bis Kriegsende hier in Schönbrunn in Bussen abtransportiert wurden – gegen ihren Willen, oftmals mit einer schlimmen Vorahnung? Briefe von Opfern dieser Deportation führen uns dramatisch vor Augen, wie Würde und Freiheit von Menschen ‚ent-menschlicht‘ und einem kaltblütigen System geopfert wurden. Der Stempel ‚unwertes Leben‘ besiegelte ihr Schicksal. Das mindeste, was wir heute tun können, ist, sich diesen Erinnerungen auszusetzen und nicht aus Bequemlichkeit beiseite zu schieben. Und begreifen wir diese Erinnerung im Sinne eines ‚Niemals wieder!‘ als Stachel, als Ansporn, die uns heute geschenkte Freiheit einzusetzen zum Wohle anderer Menschen.“

Holl zitiert Joachim Gauck, den Bürgerrechtler, Theologen und ehemaligen deutschen Bundespräsidenten, der in seinem Plädoyer „Freiheit“ die drei Wesensmerkmale Freiheit, Verantwortung und Toleranz definiert als das, was unsere Gesellschaft ausmacht, sie prägt und ihr Gestalt verleiht und der feststellt, dass ‚die Freiheit der Erwachsenen Verantwortung heißt‘. Daher appelliert Holl an die Anwesenden: „Nehmen wir also unsere Freiheit verantwortungsvoll in die Hand – gerade an diesem Ort, gerade mit und für die Kinder, Jugendlichen, Frauen und Männer, denen wir Assistenz anbieten: um sie zu unterstützen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen; um immer dafür einzutreten, sie als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger in unserem Staat anzuerkennen; um sie zu ermutigen, ihre persönliche Freiheit ebenfalls in die Hand zu nehmen.“

Im Anschluss an den Gottesdienst legten die beiden Geschäftsführer des Franziskuswerks, Michaela Streich und Markus Holl, sowie Bürgermeister Dieter Kugler für die Gemeinde Röhrmoos einen Kranz am Schönbrunner Mahnmal nieder. Mit Monika Pscheidl für die Seelsorge, der Generaloberin Sr. M. Gabriele Konrad für die Franziskanerinnen von Schönbrunn und Norbert Sluka, dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung für die Mitarbeitenden der Viktoria-von-Butler-Stiftung und des Franziskuswerks Schönbrunn war der Kreis der weiteren Teilnehmer an der Kranzniederlegung corona-bedingt sehr eingeschränkt.

Jedes Jahr am 27. Januar gedenkt das Franziskuswerk Schönbrunn der Opfer des Nationalsozialismus. In der Zeit von 1940 bis 1943 wurden 546 Männer, Frauen, Kinder und Jugendliche, die damals in Schönbrunn wohnten, im Rahmen des Euthanasieprogramms von den Nationalsozialisten umgebracht. Im Jahr 2012 wurde ein Mahnmal in Schönbrunn eingeweiht als erster Schritt zur Versöhnung und Aufarbeitung der Vergangenheit.

Lesen Sie hier das Manuskript des Wortgottesdienstes.

Lesen Sie hier die Ansprache des Geschäftsführers Markus Holl im Wortlaut.